Kolonialismus in Afrika

Kolonialismus in Afrika
Kolonialismus in Afrika
 
Mit dem »Wettlauf« der europäischen Mächte um die Aufteilung Afrikas hatte der europäische Kolonialismus im Imperialismus einen Höhepunkt erreicht. Im Kampf um die Beherrschung Afrikas stießen insbesondere britische und französische Kolonialinteressen aufeinander.
 
Ständig bemüht, den Seeweg nach Indien zu sichern, hatte Großbritannien bereits 1806 das Gebiet am Kap der Guten Hoffnung erobert. Nachdem die Eröffnung des Sueskanals den Seeweg nach Indien wesentlich verkürzt hatte, nahm Großbritannien 1881 innere Unruhen in Ägypten zum Anlass, als »Schutzmacht« dieses Land seiner Oberhoheit zu unterstellen, und gab damit das Signal zur Aufteilung Afrikas unter die europäischen Mächte. Ziel der britischen Afrikapolitik wurde es nun, ein zusammenhängendes Herrschaftsgebiet »vom Kap bis Kairo« zu schaffen. Mit der Begründung des Protektorats Betschuanaland (1886), des heutigen Botswana, der Kolonien Süd- und Nordrhodesien (seit 1889) und der Unterwerfung der Burenrepubliken Oranjefreistaat und Transvaal im Burenkrieg (1899-1902) weitete Großbritannien mit einer großen Landmasse sein Empire aus. Von Sansibar aus besetzte es Kenia und Uganda (seit 1887), von Ägypten her den östlichen Sudan (1899). Mit dem Mandat des Völkerbundes über Deutsch-Ostafrika (1919) konnte es die noch bestehende Lücke in der »Kap-Kairo-Linie« schließen. Auch in Westafrika eignete sich Großbritannien ein größeres Kolonialgebiet an (z.B. Nigeria). Die meisten seiner Kolonien regierte es nach der Methode der »indirekten Herrschaft« mithilfe einheimischer Autoritäten.
 
Unter dem Eindruck der Niederlage im Deutsch-Französischen Krieg wandte sich auch Frankreich imperialistischen Zielen in Afrika zu, um seine Machtposition in Europa zu behaupten. Von den älteren Kolonien aus (Algerien, Gabun) eroberte es in West- und Zentralafrika ausgedehnte Regionen, die später verwaltungstechnisch in Gebietsgruppen zusammengefasst wurden, Französisch-Westafrika (seit 1895) und Französisch-Zentralafrika (seit 1910). Vor dem Hintergrund französisch-britischer Gegensätze gelang es dem belgischen König Leopold II. auf der Berliner Kongokonferenz, sich die persönliche Herrschaft über den in seinem Auftrag 1881 gegründeten Kongostaat zu sichern. Die Faschodakrise, ausgelöst durch den Zusammenstoß französischer und britischer Expeditionsstreitkräfte bei Faschoda am Weißen Nil, markiert den Höhepunkt der britisch-französischen Rivalität in der Afrikapolitik. Mit dem Sudanvertrag (1899) wurde schließlich ein Kolonialkrieg vermieden. Während sich beide Mächte anschließend politisch näherten, führte der deutsch-französische Streit um Marokko zu einer wachsenden Isolation Deutschlands in Europa.
 
Mit Deutschland und Italien beteiligten sich Staaten an der Aufteilung Afrikas, die erst wenige Jahrzehnte zuvor national geeint worden waren und nun den Gewinn von Kolonien über die wirtschaftlichen Aspekte hinaus als Angelegenheiten ihres neu gewonnenen Prestiges verfolgten. Deutschland erwarb Kolonien in Ost-, Südwest- und Westafrika, Italien an der Mittelmeerküste (das gesamte heutige Libyen) und am Horn von Afrika (Eritrea und Somaliland). Mit der Anerkennung des französischen Protektorats über Marokko (1912) musste Deutschland eine diplomatische, in der Schlacht bei Adua (1896) gegen Äthiopien musste Italien eine militärische Niederlage hinnehmen.
 
Die Hinterlassenschaft des europäischen Kolonialismus belastete die jungen Staaten Afrikas nach der Entkolonialisierung in vielfacher Weise; die gewachsenen Wirtschaftsstrukturen waren zerstört, die eigene kulturelle Entwicklung der Völker war für Jahrhunderte unterbrochen, und die Grenzen, die die Kolonialmächte oftmals ohne jede Rücksicht auf historische Gegebenheiten gezogen hatten, teilten Regionen und Menschengruppen und waren Anlass für Bürgerkriege in Afrika.

Universal-Lexikon. 2012.

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